Wenn in einer Deutschklausur die Analyse eines Romanauszuges gefragt ist, kann auch die Figurengestaltung als Untersuchungsmerkmal herangezogen werden. Dazu kann der Roman „Effi Briest“ von Theodor Fontane allgemein mit dem Werk „Anna Karenina“ von Tolstoi verglichen werden.
Die größte und offensichtliche Gemeinsamkeit beider Werke im Bezug auf die Figurengestaltung ist, dass es sich in beiden Werken um ganz normale und keinesfalls pathologische Figuren handelt. Es handelt sich also nicht um krankhafte oder abnorme Figuren, zumindest sind sie nicht so gestaltet. Anschließend werden jedoch Unterschiede deutlich.
In Fontanes „Effi Briest“ gibt es viele gebrochene und resignative Figuren, die eher eine Opferrolle eingehen. Dies ist in Tolstois Werk nicht so. Hier treten rebellische und auflehnende Figuren auf, die auch die Kräfte der deutschen Erneuerung mit in die Figurengestaltung aufnehmen. Ein derartiges Verfahren ist bei „Effi Briest“ nicht zu erkennen. Hier werden nicht die Kräfte der deutschen Erneuerung beschworen. Diese Untersuchungsergebnisse führen zu dem Schluss, dass es sich bei „Effi Briest“ nicht um realistische Figuren handelt und das Werk aus diesem Grund dem gemäßigten Realismus bzw. bürgerlichen Realismus zuzuordnen ist. Da diese Epoche in zwei Phasen aufzuteilen ist, erfolgt eine weitere Zuordnung in die zweite Phase des bürgerlichen Realismus, da sich diese mehr hin zu den Gesellschaftsromanen orientiert, wie es auch Effi Briest einer ist, und insgesamt kritischer wird. Dies ist eine erkenntnistheoretische Annahme, die besagt, dass eine reale Welt vorhanden ist, die jeglicher sinnlichen Wahrnehmung widerspricht. Aufgrund der herausgestellten Merkmale, die Tolstoi betreffen, ist dieses Werk eher dem kritischen Realismus zuzuordnen. Diese Feststellungen sind jedoch nicht von Schülerinnen und Schülern eigenständig herausgearbeitet worden, sondern anhand eines Sachtextes des Autors Georg Lukács, der sich mit dieser Thematik detailliert auseinander gesetzt hat.