Unter der Fragestellung „Was erwartet Effi von Kessin?“ kann man ein Schaubild erstellen, aus dem Effis Empfindungen gegenüber dem Ort Kessin deutlich werden. Dieses Schaubild spaltet sich im Grunde in zwei Seiten auf.
Auf der einen Seite befinden sich die Schlagwörter Exotik, Abenteuer, Zerstreuung und Glanz. Das sind die Eigenschaften, die der Major von Crampas nach Kessin und damit in Effis Leben bringt. Zusammen mit den Eigenschaften Glück, Geborgenheit und Liebe, die Effi vor allem durch Alonso Gieshübler, Roswitha und Rollo in Kessin wiederfindet, bilden sie die positive Seite Kessins. Die gegenüberliegende Seite, die negative Seite, wird hauptsächlich durch Innstetten verkörpert.
Innstetten verkörpert für Effi immer noch und weiterhin etwas Unheimliches und die Einsamkeit. Damit einher gehen auch die negativen Empfindungen und vor allem die Ängste, die für Effi immer wieder mit Auftauchen des Chinesen-Spuks allgegenwärtig werden. Die vielen Unternehmungen die Innstetten wiederum mit Effi macht bedeuten für sie pure Langeweile. Ewige Besuche beim Landadel, mit dem sich Effi auch nicht so recht anfreunden kann bedeuten neben Langeweile gleichermaßen auch Frustration.
Das „Nest“, die neue Heimat Kessin ist also in zwei Seiten geteilt, bei denen man sich dann fragen muss, welche Seite wohl überwiegt. Obwohl das Wort „Nest“ eigentlich eine assoziativ positive Bedeutung hat, ist davon im Bezug auf Kessin wohl nicht auszugehen, denn auch der Leser wird es so empfinden, wenn ihm die beiden Seiten im Laufe des Romans präsentiert werden. Die positive neue Welt, das Interessante und Neue mögen in Verbindung mit der Lebenslust wohl auf Effi einen angenehmen Reiz ausgeübt haben. Die Einöde, die Einsamkeit und Langeweile aber auch vor allem der Spuk und die damit einhergehende Angst machen Effi Kessin zum wirklichen Nest, und diesmal auch definitiv mit negativer Interpretation.