Hier findet man eine ausführliche Charakterisierung von Vera aus der Novelle: „Zweier ohne“ von Dirk Kurbjuweit. So erfährt man in diesem Beitrag, wie sich Vera in die Zweierkonstellation zwischen Ludwig und Johann einreiht. Bitte beachtet, dass diese Charakteristik von Vera keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Fragen, Anmerkungen oder Korrekturen könnt ihr jederzeit per Kommentar hier veröffentlichen.
Vera ist Ludwigs Schwester und nur ein Jahr jünger als Ludwig und Johann. Beim ersten Zusammentreffen mit Johann, bemerkt dieser sie erst gar nicht. Zum ersten Mal von Johann wirklich wahrgenommen wird Vera beim „heimlichen“ Pfannenkuchenwettessen. Johann beschreibt sie als „sehr dünn, groß und dünn. Sie war blond aber nicht weiß wie Ludwig.“ (S. 31). Außerdem soll sie immer ein paar Knöpfe zu viel offen gelassen haben, als ob sie Dekolleté zeigen wolle, was sie aber gar nicht hat.
Die erste Annäherung zwischen Vera und Johann ereignet sich zu Beginn des Sommers, fünf Jahre nach ihrer ersten Begegnung. Zufällig findet sie Johann, nach dem er nach Mitternacht von Ludwig nachhause wollte, die aufgebrachte und heulende Vera in der Werkstatt. Schon in dieser Situation hat sie Johann in den Bann gezogen. Denn eigentlich wollte er sich unbemerkt davon machen, trat dann aber doch ein (S. 62). Vera weint, weil kurz davor ein Mädchen entführt wurde und tagelang in einem hohlen Brückenpfeiler versteckt gehalten wurde. Ihr geht das entführte Mädchen so nah, dass sie schon eine ganze Weile geheult haben muss. Johann findet sie in dieser Situation ein bisschen hässlich (S. 62), er vergleicht ihr Aussehen gar mit einer kleinen Eule, die vorzeitig das Nest verlassen musste. Diese Situation beschreibt wie emotional Vera ist.
Wahrscheinlich spielt hier Dirk Kurbjuweit auch auf die familiären Verhältnisse an, in denen Vera aufwächst. Beide Eltern haben wenig Zeit für ihre Kinder. Während ihr Vater die meiste Zeit in der Werkstatt mit seinen Motorrädern verbringt, arbeitet die Mutter meist in der Spätschicht. Zu ihrem Bruder scheint Vera auch kein sehr enges Verhältnis zu haben. Als Johann das erste Mal die Familie trifft, stellt Ludwig lediglich seinen Vater und die Katze vor und ignoriert Vera. Darüber hinaus verbring Ludwig seine Zeit ohnehin nur mit Johann. Ganz alleine ist sie aber nicht, sie hat eine etwas dickliche Freundin namens Flavia. Mit dieser verkehrt sie offensichtlich auch sexuell, bietet Johann sogar einen Dreier mit ihr an (S. 111), will ihn mit ihr aber auch etwas eifersüchtig machen.
Vera ist Johanns zweites Mädchen mit der er schläft. Dennoch scheint er sie nicht zu lieben, während Vera sich mehr von der Beziehung verspricht. So fragt sie ihn per Zettelkurier nach der ersten gemeinsamen Nacht, ob er sie im Physiksaal in der Schule küssen wolle (S. 87). Er geht erst gar nicht hin, möchte die Liebschaft vor Ludwig geheim halten. Darunter leidet Vera und gibt das Johann auch zu verstehen (S. 89).
Wie fast jedes Mädchen in der Pubertät ist auch Vera mit ihrem Körper nicht ganz zufrieden und sucht bei Johann nach Selbstbestätigung. So findet sie ihre Brüste zu klein, ist sonst aber davon überzeugt eine Traumfigur zu haben. Von Johann möchte sie dies einfach noch einmal bestätigt bekommen (S. 84/85).
Gegenüber Johann ist Vera offen und gesprächig. Gerade wenn die beiden zusammen sind, ist es mehr sie die redet, während Johann schweigt. Vera möchte sich in die Beziehung zwischen Johann und Ludwig einklinken, wobei sie sich bewusst ist, dass sie stehst hinter Ludwig in Johanns Gunst steht. So möchte sie auch mit den beiden in den Turm ziehen, würde allerdings das Stockwerk unter dem Stockwerk der beiden Jungs beziehen. Sie ordnet sich damit Ludwig unter: „Ich will die Etage unter euch, also die zweithöchste, die Jungs müssen natürlich ganz oben wohnen, ist ja klar.“ (S. 86) Wobei sie auch hier einen schnippischen Ton verwendet und so Johann mitteilt, dass dies gar nicht ihr eigentlicher Wunsch ist.
Beim Liebesspiel mit Ludwig beißt ihn Vera. Warum das so ist, ist aus dem Text nicht herauslesbar. Denkbar ist, dass der Autor hier ihre animalische, wilde Seite betonen möchte. Eine andere Möglichkeit wäre, dass sie mit dem Biss Johann „markieren“, für sich beanspruchen möchte (in der Art, wie ein Hund sein Territorium verteidigt).
Ludwig sieht seine Schwester Vera zunehmens als Konkurrentin, bzw. als Fremdkörper in der Beziehung mit Johann. Das lässt er sie auch körperlich spüren, in dem er sie in der Situation angreift, als Vera auf der Triumph sitzt (S. 89 ff.).
Im weiteren Verlauf beginnt Vera Johann zu ignorieren (S.109) und damit bewusst zu manipulieren. Sie möchte Johann „bestrafen“, der ihr nur so wenig Zeit und Bedeutung schenkt. Sie macht sich rar und erzeugt damit eine Sehnsucht in Johann, die sich anschließend bei einem Treffen in der Werkstatt sexuell entlädt (S. 110). Johann wird in diesem Moment das erste Mal bewusst, das er doch etwas mehr für Vera empfindet, und wäre mit ihr um ein Haar mit dem Motorrad davon gefahren (S. 112). Damit ist die leichte Manipulation von Seiten Veras völlig aufgegangen.
Die Beziehung zu Ludwig verfestigt sich erst vollkommen, als sie ihn auf der Brücke sieht und denkt er möchte in den Freitod springen. Sie geht zu ihm und sagt, dass sie ihn retten möchte, er hingegen dachte sie würde von der Brücke wegen ihm springen wollen. Erst dieser scheinbare Liebesbeweis sorgt auch bei Johann dafür, dass er sich nun endlich eingesteht Vera zu lieben: „An der Art, wie sie mich unter dem Dach, wo die Motorräder standen, umarmte, merkte ich, dass sie mich vermisst hatte, und ich merkte auch, dass ich sie vermisst hatte“ (S. 121). Anschließend berichtet Johann seiner Mutter von Vera, das ist das erste Mal das er zu ihr steht. Auch Ludwig möchte er von Vera erzählen, kommt dazu aber nicht mehr.
Auch wenn Vera nach dem Tod ihres Bruders mit Johann fest zusammenkommt, verliert sie Johann doch an Ludwig. Einen Streit, in dem Vera behauptet, Ludwig hätte den Unfall absichtlich gemacht, kann ihr Johann auf Dauer nicht verzeihen. Als Vera wegen ihres Studiums nach Amerika geht, folgt ihr Johann nicht. Es kommt zur Trennung und Vera baut sich im fernen Amerika ein neues Leben auf. So erfährt man am Ende der Novelle, dass Vera nun etwas mit Computern macht und ein Kind hat.
Hinweis: Die Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe des KiWi Verlags (Auflage: 11)